Treue- /Nebenpflichten gegenüber dem Werkunternehmer bei der Beräumung eines Feldes vor Erntearbeiten

(OLG Brandenburg v. 28.09.2016, 4 U 197/16)

Die Kanzlei Behm Pudack Becker Rechtsanwälte hat für ein großes Versicherungsunternehmen eine wichtige Entscheidung vor dem OLG Brandenburg erstritten, die in vergleichbaren Fällen in der Landwirtschaft großer Bedeutung zukommen kann.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat mit Urteil vom 28.09.2016, 4 U 197/16 entschieden, dass ein Besteller gegenüber einem Werkunternehmer nicht verpflichtet ist, für die „Steinfreiheit“ auf einem abzuerntenden Feld einzustehen. Eine Verletzung von Treuepflichten ist in der Regel nicht gegeben, wenn der Werkunternehmer, vorliegend ein Landwirt, bei der beauftragten Aberntung eines Feldes über einen Stein fährt und der Feldhäcksler hierdurch beschädigt wird.

Leitsatz

Eine Verletzung von Treuepflichten / Nebenpflichten kommt nur in Betracht, wenn es nicht lediglich um das allgemeine Risiko der Arbeiten des Werkunternehmers geht, das dieser selbst zu übernehmen hat, sondern vielmehr besondere Umstände hinzukommen , die für den Besteller erkennbar zu einer höheren Schadensträchtigkeit führen.

Bei dem Abernten eines Feldes handelt es sich nicht um besondere Umstände, denn auf größeren Feldern (in der Prignitz) ist mit Steinen stets zu rechnen. Der Verantwortungsbereich ist dem Eigentümer des Feldes nicht zuzuordnen, denn bei einem offenen Feld und einer zeitlichen Spanne von mehreren Monaten zwischen Ernte und Aussaat /Überprüfung sind umweltliche Einwirklungen und solche Dritter nicht auszuschließen.

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt beauftragte der Eigentümer eines  34 Hektar großen Feldes den Werkunternehmer, einen Landwirt mit dem Abernten seiner „Maisschläge“. Auf dem Feld hatte der Eigentümer im Frühjahr Mais ausgesät. Bei Aussaat hatte der Landwirt das Feld nur ca. zur Hälfte nach größeren Steinen absuchen lassen. Während der Ernte im Herbst geriet der Häcksler des Werkunternehmers in Schwingungen, das Schneidwerk berührte den Boden und erfasste einen Stein, der die Technik zerschlug. Der Häcksler war mit einem Steindetektor ausgestattet.

Der Landwirt war der Auffassung, dass der Feldeigentümer das gesamte Feld hätte überprüfen müssen und ihn im Übrigen vorvertraglich auf die nur hälftige Überprüfung des Feldes hinweisen müssen. Dieses Versäumnis sei eine Pflichtverletzung. Das Landgericht hat ein Gutachten zur Untersuchung des Schadens und des Steins eingeholt. Der Stein muss eine Größe von ca. 18-20 cm Umfang gehabt haben, Lage und Position des Steins bei der Absuche im Frühjahr war nicht mehr aufklärbar. Der Kläger meint, dass die Beweislast für eine kausale Pflichtverletzung auf Seiten des Eigentümers läge, denn der Anscheinsbeweis spräche gegen ihn. Das Gericht hätte ferner Beweis darüber erheben müssen, ob ein so großer Stein bei einer Überprüfung im Frühjahr hätte entdeckt werden müssen. Der Eigentümer müsse alles Zumutbare unternehmen, um Werkunternehmer vor Schäden zu bewahren. Im Übrigen entspräche es der Praxis, dass sich die Landwirte einig darüber sind, dass ein Feld frei von Steinen für die Abernte gewährleistet wird. Der Werkunternehmer begehrt von dem Eigentümer, bzw. der Haftpflichtversicherung Schadenersatz.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht Neuruppin hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass weder eine Nebenpflichtverletzung aus Vertrag noch aus Delikt (§ 823 Abs. 1 BGB) vorliegt. Nach Auffassung des Landgerichts hat der Kläger keine geeigneten Anknüpfungstatsachen für eine haftungsbegründende Kausalität dargelegt und nachgewiesen. Da das Gutachten hierzu keine Aussagen trifft und Position und Lage unklar war, sei es auch nicht mehr beweisbar, ob der Stein im Frühjahr hätte gefunden werden können. Der nicht mehr rekonstruierbare Hergang geht zulasten den darlegungs- und beweisbelasteten Kläger, weil die Schadenursache dem Gefahrenbereich / Risikobereich des Klägers zuzuordnen sei.

Gegen das Urteil legte der Kläger Berufung ein. Nach mündlicher Verhandlung am 07.09.2016 wies das Brandenburgische Oberlandesgericht die Berufung mit Urteil vom 28.09.2016 zurück. Nach Auffassung des Senats habe das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.  Eine Neben- / Treuepflichtverletzung liegt weder aus Vertrag noch Delikt, § 823 Abs. 1 BGB vor. Das OLG stellte in erster Linie darauf ab, dass der Eigentümer auf allgemeine Gefahren, die bei routinemäßigen Werkleistungen regelmäßig bestehen, bereits nicht gesondert hinweisen muss. Die Möglichkeit von Steinen auf einem abzuerntenden Feld sei jedoch bereits kein besonders gefahrenträchtiger Umstand. Der Kläger musste mit Steinen daher rechnen.

Auch liege das Risiko und somit eine etwaige Beweislastverteilung nicht bei dem Eigentümer. Zwar trägt regelmäßig derjenige das Risiko des Schadens, in dessen Verantwortungsbereich sich die Schadensursache (vorliegend der Stein) befindet. Bei einem offenen Feld und einem Zeitabstand von mehreren Monaten zwischen Überprüfung und Abernten (Frühjahr – Herbst) liegt somit die Schadensursache nicht mehr im Verantwortungsbereich des Feldeigentümers.

Praxistip

Für die Praxis stellt dieses Urteil des OLG Brandenburg eine durchaus interessante und relevante Entscheidung dar. In der Prignitz (sandhaltiger Boden) und auch sonst im landwirtschaftlichen brandenburgischen und gesamtdeutschen Raum ist es in der landwirtschaftlichen Praxis gang und gäbe, dass im Frühjahr bei der Saat die Felder auf Findlinge und Steine abgesucht werden.

In den darauffolgenden Monaten kann es durch Regen und Ausspülungen immer passieren, dass kleinere und größere Steine an die Oberfläche geschwemmt werden, die im Frühjahr noch gar nicht sichtbar waren. Es empfiehlt sich daher aus anwaltlicher Vorsorge, für Abernteaufträge und entsprechende werkvertragliche Vereinbarungen immer eine Klausel mit zu vereinbaren, dass bspw. der Eigentümer entweder die gesamte regelmäßige Überprüfung des Feldes zusichert / gewährleistet oder versichert, dass er für die Freiheit von Steinen, die die Arbeitsgeräte beschädigen können, einsteht.

Für derartige und ähnliche Praxisfälle sollte auch die Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 24.01.2015, VII ZR 98/12 beachtet werden.  Hiernach ist ein Landwirt nur im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, ein von einem Mähdrescher zu befahrenes Feld auf Gegenstände zu untersuchen. Der BGH hat die „Nichtzumutbarkeit“ für ein Feld mit einer Fläche von 6,44 ha angenommen.

Vorliegend sollte deshalb zunächst die Größe des abzuerntenden Feldes ermittelt werden. Im nächsten Schritt ist zu hinterfragen ob und wenn ja wann eine Überprüfung auf Findlinge stattfand. Im letzten Schritt sollte zur Absicherung eine Freistellung / Garantie für die Freiheit des Feldes von Steinen vereinbart werden. Ist der Landwirt hierzu nicht bereit und hat das Feld eine Größe von mehr als ca. 6,5 ha besteht im Falle eines Schadens durch Steine immer das rechtliche Risiko, dass der Eigentümer hierfür nicht haftet.

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